Dienstag, 29. Juni 2010

Kamerun zum Vergleich

Während unserer Reise haben wir oft Vergleiche gezogen, denn vieles unterscheidet sich, auch wenn manches ähnlich erschien. Kamerun ist zweigeteilt: Der Hauptteil im Osten spricht französisch, während der kleinere West-Teil als Teil der ehemaligen brittischen Kolonie „The Western Cameroons“ englisch spricht. Die französische Kolonialherrschaft hat einen für uns ganz klaren Vorteil gegenüber Nigeria gebracht: die Bäckereien. Auf der Reise haben wir einige Produkte genossen, die wir in Nigeria, wo es fast keine Bäckerei und nur eine Art Weißbrot gibt, vermisst haben. Baguettes und Croissants werden hier in fast jeder Stadt verkauft.
Die lange politische Stabilität hat es dem Land erlaubt, ein wenig Tourismus aufzubauen, sodass wir erstaunlich viele Weiße, sogar Familien mit Kindern, sehen konnten. Viele Städte und Naturattraktionen sind touristisch erschlossen, was unsere Reise etwas erleichtert hat. Trotz der politischen Stabilität scheint die Wirtschaft eher zurückzugehen, was angeblich an einer ähnlichen Korruptionsrate liegt, wie in Nigeria. Es gibt genauso auch Strom- und Wasserprobleme, die sich nach unserer Erfahrung sehr in Grenzen gehalten haben. Wir waren glücklich in der Regel 24 Stunden Strom zu haben und keine nervigen Generatorengeräusche in der Nacht zu hören. Hier spricht man übrigens von Stromausfällen, während man in Nigeria sagt: Ich hatte gestern drei, vier oder fünf Stunden Nepa. (So wird der Strom nach dem ehemaligen nigerianischen Energieproduzenten genannt.)
Nigeria scheint hier aber doch oft als starkes Land angesehen, woran sich die Kameruner vergleichen.
Was mich überrascht hat, war, dass mir noch weniger Tradition aufgefallen ist, als in Nigeria. Ich dachte oft, dass Nigeria vor allem durch das Öl extrem vom „Westen“ bzw. „globalen Norden“ (wie auch immer man das politisch korrekt formuliert) beeinflusst wurde, weswegen die Traditionen so stark zurückgegangen waren. Im Kamerun habe ich dagegen kein einziges Mal eine afrikanische Sprache gehört und das ursprüngliche Essen schien auch nicht so häufig gegessen zu werden, wie in Lagos. Selbst in Lagos, was so sehr geprägt ist von der westlichen Kultur, hört man an jeder Straßenecke Yoruba, Ibo, Hausa oder eine der anderen ursprünglichen Sprachen Nigerias.
Die Städte und Straßen erschienen mir sauberer, auch wenn ich öfters gehört habe, dass viele Straßen in einem katastrophalen Zustand und in der Regenzeit nicht befahrbar seien. Die städtische Atmosphäre hat uns dennoch überall sehr gefallen, vor allem in Yaoundé, wo es Parks, breite Straßen und viel Grün gab.

Beide Länder scheinen so ähnlich zu sein und vor allem ohne meine Erfahrungen in Nigeria hätte ich wohl beide Länder als gleich bezeichnet, aber wenn man Nigeria kennt, erkennt man viele kleine Unterschiede, die unsere Reise zu einem Interessanten Erlebnis gemacht haben.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Meine Reise III: Kamerun

Der Norden Kameruns erschien uns landschaftlich ähnlich, doch kulturell anders. In Maroua, eine der nördlichsten Städte Kameruns, wurde trotz vorherschendem Islams Alkohol verkauft und Kopftücher waren eher eine Seltenheit. Der auf der Karte groß aufgezeichnete Fluss war komplett ausgetrocknet. Außerdem sprang uns recht bald die touristische Ausprägung Kameruns entgegen, denn im Gegensatz zu Nigeria ist Kamerun mit seiner politischen Stabilität ein Urlaubsland. Wir sahen viele Weiße und sogar Familien, die hier Urlaub machten. In einem recht billigen Hotel blieben wir zwei Nächte in Maroua, von wo aus wir den Kamerun gen Süden durchquerten. Weiter fuhren wir per Bus nach N’Gaoundéré, von wo wir einen Zug in die Hauptstadt Yaoundé nahmen. Wir erhofften uns, abends in N’Gaoundéré angekommen, sofort ein Ticket zu bekommen, aber die Tickets werden morgens verkauft. Eine Prozedur, die wir uns am nächsten Morgen antun mussten. Es war ein Gedrängel und Geschubse, was ich bei Erwachsenen so noch nicht erlebt habe. Da wir das Geld für Schlafwagen und die erste Klasse nicht aufbringen wollten, mussten wir mit ins Gedränge, um uns zwei Tickets zu ergattern. Bis zur Abfahrt konnten wir uns die Stadt angucken, die am Morgen ungewöhnlich kalt war, sodass ich ein wenig gefrohren habe, was ein unbeschreibliches Gefühl hier in Westafrika ist. Wir genossen die Konsumgüter, die in Nigeria nicht vorhanden sind, testeten unser Französisch aus und machten unsere erste Erfahrung mit einer Bäckerei, die es auch in Nigeria nicht gibt, wo wir Baguette, Croissant und andere Köstlichkeiten bewundern konnten und uns satt gegessen haben. Die Bahnfahrt über Nacht dauerte sehr lange. Es war sehr eng und schlafen konnte man am besten auf dem Boden unter den Sitzen, was ich dann vorzog, da ich auf meinem Sitz keinen Schlaf fand. Yaoundé beeindruckte uns, erschien uns viel westlicher, ruhiger und grüner, als Lagos. In Lagos gibt es zwar auch riesige Shopping-Malls, westliche Wolkenkratzer und Wohnanlagen für reiche, aber hier ist alles viel verteilter, mehr in die Stadt integriert und nicht so abgeschottet wie in Lagos. Hier haben wir auch nicht diese riesigen „Housing-Estates“ – ummauerte, bewachte Reichenviertel – entdeckt. Wir machten bekanntschaft mit einem Amerikaner, der an der amerikanischen Schule unterrichtet und uns Unterkunft in seinem Appartement anbot. Er gab uns auch den Tipp, später nach Bangem zu fahren und zeigte uns einige Ecken von Yaoundé. Dort gingen wir auch ins Goethe-Institut und machten später Bekanntschaft mit dem DED (Deutscher EntwicklungsDienst), der auch das Weltwärtsprogramm anbietet. Wir bekamen ein paar Telefonnummern von anderen Freiwilligen im Kamerun, die wir im Laufe unserer Reise besuchten. Nach Yaoundé fuhren wir dann nach Bangem im englischsprachigen Osten, wo wir Bekannte von Tom, dem Amerikaner, trafen, die uns einen Wasserfall und zwei Vulkanseen zeigten, wo wir schwimmen konnten. Die Seen waren ziemlich beeindruckend. Nach zwei Tagen reisten wir weiter nach Buea, der ehemaligen Kolonialhauptstadt der Deutschen, zum Fusse des Mount Cameroon, dem mit 4095m höchsten Berg West- und Zentralafrikas. Wir trafen hier Freiwillige, die uns auf die geplante Bergbesteigung vorbereiteten. Am nächsten Tag buchten wir den teuren Aufstieg durch die international anerkannte Mt. Cameroon Ecotourism Organisation und begannen mittags, nachdem wir Proviant und Regenjacken gekauft hatten. Durch den Bergregenwald ging der Weg aufwärts, doch ein heftiger Regen überraschte uns, der all unsere Sachen durchweichte und uns zwang, in der ersten Hütte zu bleiben. Dort frohren wir wahnsinnig und wärmten uns und trockneten (bzw. räucherten) unsere Klamotten an einem Feuer in der Hütte. Wir mussten dort übernachten und hatten durch den Zeitverlust keine Chance, den Gipfel an einem Tag zu erreichen und wieder herunterzuwandern. Einen weiteren Tag den Führer und den Träger zu mieten konnten wir uns nicht leisten, weswegen wir am nächsten Tag nur bis zur Baumgrenze wanderten um die nachfolgende Bergsavanne zu sehen. Von dort stiegen wir frustiert wieder ab. Die nächste und letzte Stadt Kameruns, die wir besuchten, war Limbe, wo wir ein letztes Mal den Konsum in einer Bäckerei genießen konnten, den botanischen Garten besuchten und am Strand badeten. Der Strand besteht aus schwarzem Vulkansand, denn die beiden Berge Mt. Etinde und Mt. Cameroon sind wie die Insel von Äquatorialguinea an der Küste Kameruns durch Vulkanaktivitäten entstanden.
Von Limbe aus nahmen wir eine kleine, ziemlich demolierte Fähre über Nacht nach Calabar in Nigeria, von woaus wir mit dem Bus nach Lagos zurückkehrten.

Der muslimische Norden Nigerias

Wie der Großteil der westafrikanischen Küstenländer ist Nigeria religiös zweigeteilt: Während der hauptsächlich von den Volksgruppen Yoruba und Ibo bevölkerte Süden christlich missioniert wurde, verbreitete sich im Norden durch den Transsaharahandel aus Arabien der Islam. So haben heutzutage 13 Bundesstaaten seit 2000 die Sharia als Rechtssystem angenommen. Bevölkert wird der Norden überwiegend von den Hausa und den Fulani, die sich teilweise zu einer Volksgruppe „Hausa-Fulani“ vermischt haben, sowie den Kanuri im nordöstlichsten Bundesstaat Borno. Hausa ist eine der wichtigsten nicht-kolonialen afrikanischen Sprachen und wird nicht nur von den in Westafrika verbreiteten Hausa gesprochen, sondern in den nördlichen Teilen Benins, Burkina Fasos, Ghanas, Nigers, Nigerias und der Elfenbeinküste als Handelssprache gebraucht. Es ist stark durch das arabische beeinflusst, was auch in der Aussprache deutlich wird. Die Hausa bilden die größte Bevölkerungsgruppe Nigerias.
Der Norden beinhaltet die zweitgrößte Stadt Nigerias und gleichzeitig älteste Stadt Westafrikas: Kano. Diese Stadt war zusammen mit Sokoto eine der wichtigsten Städte im Transsaharahandel. Sokoto war Hauptstadt des gleichnamigen Kalifates und ist immernoch ein religiöses Zentrum des Islams.
Im Yorubagebiet, wo ich wohne, bekomme ich oft zu hören, dass der Norden ungebildet und arm sei, weshalb viele Hausas in den Süden und speziell nach Lagos kämen, wo sie einfache und schlecht bezahlte Arbeit als Schuhmacher, Straßenkoch, Okadafahrer oder Geldwechsler bekommen. Da der überwiegende Teil der Betreiber von Suya-Grillen (Suya ist Grillfleisch) aus dem Norden stammt und somit muslimisch ist, wurde mir auch einmal gesagt, dass ich kein Suya kaufen dürfe, weil die Hausa es für die Christen vergiften. Und sogar meine Chefin, die 22 Jahre in Großbrittanien gelebt hat, meinte, dass eine schlimme Magenverstimmung von mir vom vergifteten Suya stamme. Diese Vorurteile tragen nicht gerade zur Einigung des Landes bei, das so schon unter starken Konflikten von Muslimen und Christen leidet, was an den Ausschreitungen in Jos zu sehen ist, was in der Mitte Nigerias und damit in der Grenzregion von Muslimen und Christen, liegt.
Ich selber habe schon beim Besuch in einer Moschee in Lagos schon den riesigen kulturellen Unterschied der beiden religionsgeprägten Teilen Nigerias mitbekommen. Auf meiner Reise in den Norden bestätigte sich dann mein Bild. Sowohl landschaftlich, als auch kulturell unterscheidet sich Nigeria stark. Die Menschen kamen mir ruhiger, oft respektvoller, nicht so sehr auf Konsum und Geld fixiert und ausgeglichener vor. Sie riefen uns nicht Oyinbo oder die Hausa-Entsprechung „Batauri“ hinterher, fassten uns nicht an und versuchten uns nicht von ihrer Religion zu überzeugen. Andererseits kann ich die Menschen aus Lagos als multikulturelle und auch vom Geld demoralisierte Metropole nicht als perfektes Beispiel von Yoruba nehmen.
Die Kleidung unterscheidet sich schon in den Farben. Im Norden tragen die Männer einfarbige, lange Gewänder, die Teilweise aus leuchtenden Stoffen bestehen, während im Süden Anzüge aus bunten, mehrfarbigen und gemusterten Stoffen getragen werden. Die Frauen im Norden tragen überwiegend Kopftücher.
Den Norden zu bereisen war eine gute Entscheidung, um die kulturelle Vielfalt Nigerias wahrnehmen zu können.