Freitag, 27. November 2009

Verkehr

Wer nach Lagos kommt, sollte mit viel Verkehr rechnen. Viel Verkehr, aber kein Chaos, denn alles funktioniert – irgendwie. Hier auf dem Festland wird man kaum Ampeln, kaum Verkehrszeichen, kaum Zebrastreifen und kaum jemanden finden, der sich an Verkehrsregeln hält. Hier fahren erstmal alle in eine Kreuzung rein, bevor sich geeinigt wird, wer zuerst fährt. Alles nach dem Prinzip: „Der Stärkere gewinnt“. Dazu muss aber gesagt werden, dass es hier wenige Kreuzungen gibt, aber viele Kreisverkehre. Auf VI (Victoria Island) und Teilen von Lagos Island findet man dagegen geordneten Verkehr mit Ampeln, Verkehrszeichen und –regeln. Aber da ich nicht oft dort bin, bekomme ich davon wenig mit. Hier gibt es viel Stau, aber irgendwie kommt man immer durch. Die Fahrer (vor allem Taxi- und Busfahrer) sind Meister im Abkürzungen finden. Aber man muss selber hier gewesen sein, um das System hier zu verstehen.
Als öffentliche Verkehrsmittel dienen hier:

Die Lagbusse, die ziemlich europäisch eine bestimmte Linie mit Bushaltestellen entlangfahren, aber keine genauen Zeitpläne haben.

„Yellow Busses“, Kleintransporter, die aus Europa stammen und oft Aufschriften wie „Blumen- und Geschenkeparadies“ oder „Bäckerei Mueller“ haben. Sie fahren eine bestimmte Linie entlang, an der aber nur selten Bushaltestellen zu sehen ist und ausgestiegen werden kann so ziemlich ueberall. Das Geld wird häufig vom Fahrer oder einem Komplizen eingesammelt und beläuft sich bei kleineren Fahrten auf 10-50 Naira (5-25 Cent).
Sie fahren auch längere Strecken in weiter entfernte Dörfer und Städte, wobei man aber als Fahrgast damit rechnen muss, mit einer lebenden Ziege im Kofferraum zu fahren, die deinen Rucksack mit Kot bedecken kann.

Schneller, aber auch teurer, sind die Keke Napep – kleine, offene Fahrzeuge aus Indien mit drei Rädern – die sich neben den stehenden Autos hindurchschlängeln können. Sie funktionieren ähnlich wie die „Yellow Busses“, können drei Personen hinten und einen neben dem Fahrer auf der Fahrerbank transportieren, fahren aber auch gegen Aufpreis gerne mal andere Routen.

Taxen sind teurer, aber mit einem Preis von 4 Euro fuer eine Stunde Fahrt immernoch erheblich billiger als deutsche Taxen.

Schneller als Taxen, aber nur fuer kleine Strecken gedacht, sind die Okadas. Motorräder, auf denen bis zu zwei Personen hinter dem Fahrer Platz nehmen können. Die Fahrt mit einem Okada ist schnell, aber auch lebensgefährlich, da die Fahrer sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zwischen Autos hindurchschlängeln und scharfe Kurven nehmen.

Die Straßen überquert man hier auch bei vollem Verkehr, man muss nur den richtigen Weg durch die Autos, Motorräder und Kekes finden. Somit ist und bleibt Lagos ein Abenteuer.

Essen I: Gerichte

Nach zwei Monaten kann ich leider schon sagen, dass ich fast alle hier üblichen Gerichte schon probiert habe; denn die Essensvielfalt hällt sich eher in Grenzen. An das Essen habe ich mich schon gewöhnt und manche Gerichte esse ich so gern, dass ich versuchen werde, sie auch in Deutschland zu kochen. Reis dagegen kann ich inzwischen nicht mehr sehen, weil es ihn zu oft gibt und weil er in meinem Projekt immer gleich zubereitet wird. Dabei war ich am Anfang, immer froh, Reis zu essen, weil es etwas bekanntes war, an das ich mich nicht noch gewöhnen musste. Gekocht wird mit wenig Gewuerzen, aber viel Pepe (ähnlich wie Chilli). Das heißt, wir mussten uns am Anfang schnell an die Schärfe gewöhnen. Als uebliche Zutaten sind auf dem Markt Tomaten, Pepe, Fisch, alle möglichen Teile von Kuehen und Huehnern, Eier, Instant-Nudeln und selten Kohl, Gurken und Möhren erhältlich.
Zur Uebersicht werde ich jetzt mal die hier ueblichen Gerichte vorstellen.

Reis wird hier als „White Rice“ mit Stew (dazu später mehr), „Jolof Rice“ (rot angebraten mit wenig Gemuese und viel Pepe) „Fried Rice“ (weißer gebratener Reis) serviert.

Nudeln gibt es hier ueberwiegend in zwei verschiedenen Variationen: „Indomie“ (Instant-Nudeln, die nach der meistverkauften Marke benannt sind) oder Spaghetti, die mit Stew gegessen werden.

Sehr häufig werden hier auch verschiedene Arten von Brei mit verschiedenen Soßen gegessen. Der feste Brei wird mit der Hand gegessen und in die Soße getunkt. Gegessen wird aber nur mit der rechten Hand, weil die linke als dreckig gilt.
Es gibt Semovita (aus Grieß), weißes und schwarzes Amala (aus ?), pounded Yam (aus Yam), Fufu (aus Cassava und Plantain), Eba (aus Cassava) und Wheat (aus Weizen).
Als Soße wird oft Stew (eine scharfe Soße aus Tomaten, Zwiebeln, Pepe und Salz in der Fleisch oder Fisch mitgegart wird) mit Okra vermischt, eine gruenliche Soße, die das Stew schleimig macht und neutralisiert.
Es gibt aber auch einige andere Soßen, die ich hier nicht alle aufzählen werde.

Yam ist ein großes Wurzelgemuese, was wie Kartoffeln schmeckt. Es wird entweder gekocht, fritiert oder zu Yam Porridge zerstampft. Kartoffeln gibt es hier auch, aber selten und sie schmecken sueßer, als unsere.

Plantain nennen sich hier die Kochbananen, die frittiert zum Reis serviert oder gegrillt gegessen werden.

Bohnen (Black-eyed-peas) werden hier gekocht zum Reis serviert oder mit Gari (getrocknetes Cassava-Mehl) oder Brot gegessen.

Moin-Moin ist eine Eierspeise, die mit Fisch oder einem ganzen Ei im Inneren in einer Form gegart wird. Dazu wird häufig eine ähnlich geformte weiße Masse aus Maismehl gereicht.

Zum Fruehstueck gibt es manchmal Pape, was mich persönlich nach Kleister aussieht und genauso schmeckt. Es wird mit Milch und Zucker gegessen. Ähnlich sieht Costard aus, der aber eher an Pudding erinnert. Es gibt ihn in verschiedenen Geschmacksrichtungen und er wird auch mit Milch gegessen.

Dies ist das Essen, mit dem ich in Lagos in Kontakt gekommen bin. Es mag noch mehr Gerichte geben, aber zusammen mit den anderen Freiwilligen bin ich auf den Schluß gekommen, dass es wenig verschiedene Gerichte gibt. Ich hoffe, ich habe nichts falsch dargestellt, alles habe ich aus Informationen von Nigerianern und anderen Freiwilligen zusammengetragen.

Montag, 2. November 2009

Das Goethe-Institut und die deutsche Kultur

Ein Stückchen deutscher Kultur kann man auf Victoria Island (dem bessergestellten Viertel der Stadt) erleben. Dort steht das Goethe-Institut von Lagos, in dem man Deutsch lernen, deutsche Bücher ausleihen und deutsche Kulturevents erleben kann. Aber nicht nur unter Liebhabern der deutschen Kultur ist es als Kulturzentrum bekannt. Bisher war ich dort zweimal:
Das erste Mal war ich mit ein paar Freiwilligen auf einer Versammlung ehemaliger nigeranischer Studenten, die in Deutschland studiert haben. Es wurde viel über die Erfahrungen in Deutschland diskutiert und ein Dokumentarfilm über München wurde gezeigt.
Das zweite Mal trat die deutsche Raggae-Band „Jahcoustics“ mit ein paar lokalen Raggae-Kuenstlern auf. Die Stimmung war super und die säuberlich aufgereihten Stühle gerieten nach ein paar Minuten in Vergessenheit.
Deutsche Kultur wird aber auch in Apapa ausgelebt. In diesem Teil von Lagos gibt es eine deutsche Schule und eine deutsche Kirche und viele Deutsche sollen dort leben. Dorther kam auch ein älterer Nigerianer, der uns auf Deutsch ansprach, weil er ein paar Jahre in Deutschland studiert hat. Schon ein paar Mal ist uns das passiert, dass Nigerianer uns auf Deutsch ansprechen, weil sie entweder schon einmal in Deutschland waren oder weil sie die Sprache nur so gelernt haben.
Deutsche und allgemein Oyinbos trifft man auf dem Festland allerdings eher selten. Auf den Islands (Lagos Island und Victoria Island) gibt es aber schon mehr, die allerdings entweder Botschafter, Bohrexperte bei einem multinationalen Ölkonzern oder Verkehrsbauingenieur bei Julius Berger sind...

Mummy-Mummy und die "Big Boys"

Unsere Direktorin oder auch „Mummy-Mummy“ genannt, ist, wie wir nach kurzer Zeit feststellen konnten, ein ziemlich hohes Tier. Sie fährt einen dicken Ford Escort mit Schlangenlederlenkrad, trägt teure Stoffe und benutzt europäische Parfums. Sie lebte 22 Jahre in Großbrittanien, ihr Sohn lebt in Dubai und sie reist ein paar Mal im Jahr nach Europa.
Das alles zusammen heißt, sie hat’s geschafft!
Der Traum vieler Nigerianer ist es, ein „Big Boy“ zu werden, Geld zu haben, alt und respektiert zu werden. Vor diesen „Big Boys“, was die meisten Chefs der Freiwilligen-Projekte schon sind, haben alle mächtig Respekt und jeder sollte sich vor ihnen verbeugen.
Allgemein wird Alter hier mehr respektiert, was aber leider heißt, dass die Jugend wenig respektiert wird. Ältere Menschen werden mit Ma oder Sa (Madam/Sir) angesprochen, die Männer müssen sich bis zum Boden vor ihnen verbeugen und die Frauen machen einen Knicks, man sollte ihnen gehorchen und ihnen Sachen zum tragen abnehmen. Selbst ältere Geschwister darf man nur mit Sister oder Brother ... ansprechen und sie haben das Recht, ihre jüngeren Geschwister zu schlagen.
Mummy-Mummy bekommt aber nicht nur durch ihr Alter und ihren Reichtum Respekt, sondern auch dadurch, dass sie ihr Leben dem wohltätigen Zweck hingegeben und das Hospiz auf die Beine gestellt hat.

Der alte Bahnhof und Lagos' ruhige Seiten

Was ich hier ein wenig vermisse, ( neben dem Käse ) sind ruhige Ecken in Lagos. Man findet hier weder Parks, in die man sich zurueckziehen kann, noch ein gemuetliches Cafe, in dem man sich ruhig unterhalten kann. Selbst normale Parkbänke habe ich hier auf dem Festland noch nicht gesehen. Gruen findet man hier generell wenig und in den Bars oder Cafes tönt entweder wahnsinnig laut der Generator, oder Fußballspiele werden in der Endlosschleife im Fernsehen gezeigt, was das ruhige Gespräch auch erschwert. Allerdings haben wir den Geheimtipp bekommen, im alten Bahnhofsgelände herumzustöbern. Wir gingen durch ein verkettetes Tor des großen Bahnhofshauses, das noch an die Kolonialzeit erinnert, auf den Bahnsteig und sahen einen Dschungel aus verwucherten Waggons und Gleisen. Das Gras wächst zum Teil meterhoch, die Gleise sind kaum noch zu erkennen und die recht neuen Waggons stehen verlassen und ruhig in der Gegend rum. Erstaunlich fuer Lagos war, dass von Generatoren, Menschenmassen oder Fahrzeugen fast nichts mehr zu hören war, obwohl der impulsive Yabamarkt nicht weit entfernt ist. In dieser Ruhe erkundeten wir das Innenleben der Waggons, die Teilweise ihres Holzes beraubt wurden. Man fuehlt sich wie im Freilichtmuseum, obwohl die Waggons teilweise am Ende der Neunziger Jahre noch erneuert wurden. Im Inneren setzten wir uns auf die uebrig gebliebenen Bänke, genossen die Stille, fuehlten uns, als wären wir weit außerhalb von Lagos und aßen fritierten Yam, Akara und Fruechte. Später erfuhren wir, dass der Bahnhof aufgegeben wurde, weil viele Politiker Speditionsfirmen besitzen, denen der Gueterverkehr Konkurrenz machen könnte, weswegen kein neues Geld mehr in den Bahnhof fließt. Allerdings gibt es noch Personenverkehr von einem neueren Bahnhof aus und der Zug, der ca. einmal pro Tag fährt, soll noch ueber ein Gleis am alten Bahnhof fahren. Mit diesem Zug kann man in den Norden nach Kano fahren, was mich schon sehr interessieren wuerde.

Kirche

Religion ist neben Fussball und Entertainment eine der drei Leidenschaften (laut Miss Funke, eine der Semi-Chefs). Seitdem ich hier in einer Kirche war, kann ich aber sagen, dass die dritte Leidenschaft „Entertainment“ alle Leidenschaften zusammenfasst, denn der Gottesdienst erinnerte mich stark an ein Rockkonzert. Nicht nur, weil die ueberdrehte Soundanlage den recht kleinen Raum mit der Musik einer Band, die aus ca. vier Sängern, einem Schlagzeuger, einem E-Gitarristen und einem Key-Board-Spieler besteht, zudröhnt, sondern auch, weil die Predigt, die Parolen des Priesters und das Tanzen und die Antwortwortgesänge der Gemeinde stark an den Dialog zwischen Fans und Musikstars auf einem Konzert erinnert. Die Gemeinde tanzt zu jedem Lied, manche wie in Extase und manche schreien begeistert Gebete dazu. Während unseres ersten Gottesdienstes trat sogar eine Hip-Hop-Tanzgruppe auf. Zwischendurch wird es aber auch mal ruhiger und fuer uns „normalere“ Kirchenlieder werden gesungen und von einer elektrischen Orgel begleitet. Die Predigt wird mit Bibelstellen belegt, die von Gemeindemitgliedern vorgelesen werden. Somit hat jeder eine Bibel dabei und nach dem Gottesdienst wird in kleineren Gruppen „Sunday School“ praktiziert, in der zusammen Bibelstellen analysiert werden, was ich ganz sinnvoll fand. Bibel ist hier aber nicht gleich Bibel, denn so unterschiedlich wie die verschiedenen und unzähligen Konfessionen, sind auch die Bibeln. Wir waren mit der Direktorin in der „Eagle’s Heights Church“, die nur eine von vielen evangelikalen und protestantischen Kirchen ist, die neben der katholischen Kirche und vielen Moscheen überall zu finden sind.
Religiös ist so ziemlich jeder und dass in Deutschland viele atheistisch sind, können nicht viele verstehen, denn sonntags zur Kirche oder freitags in die Moschee zu gehen ist hier selbstverständlich. Somit sind fast alle sonntags fein rausgeputzt, meistens in ihren „Natives“ – die traditionellen Kleidern.
Den Verwendungszweck der Kollekte bekommt man übrigens nicht zu hören, das Geld kommt zum größten Teil der Kirche zugute. Somit sind die Kirchen oft gut ausgestattet und die Priester nicht gerade arm.
Wie wichtig die Religion der Bevölkerung ist, merkt man daran, dass in vielen Situationen mit der Bibel argumentiert wird, selbst als Frauke und ich einem der Semi-Chefs Atheismustheorien vorgebracht haben, brachte er das Gegenargument, Glaube sei doch daher begründet, dass er in der Bibel gelehrt wird.