Donnerstag, 17. Juni 2010

Der muslimische Norden Nigerias

Wie der Großteil der westafrikanischen Küstenländer ist Nigeria religiös zweigeteilt: Während der hauptsächlich von den Volksgruppen Yoruba und Ibo bevölkerte Süden christlich missioniert wurde, verbreitete sich im Norden durch den Transsaharahandel aus Arabien der Islam. So haben heutzutage 13 Bundesstaaten seit 2000 die Sharia als Rechtssystem angenommen. Bevölkert wird der Norden überwiegend von den Hausa und den Fulani, die sich teilweise zu einer Volksgruppe „Hausa-Fulani“ vermischt haben, sowie den Kanuri im nordöstlichsten Bundesstaat Borno. Hausa ist eine der wichtigsten nicht-kolonialen afrikanischen Sprachen und wird nicht nur von den in Westafrika verbreiteten Hausa gesprochen, sondern in den nördlichen Teilen Benins, Burkina Fasos, Ghanas, Nigers, Nigerias und der Elfenbeinküste als Handelssprache gebraucht. Es ist stark durch das arabische beeinflusst, was auch in der Aussprache deutlich wird. Die Hausa bilden die größte Bevölkerungsgruppe Nigerias.
Der Norden beinhaltet die zweitgrößte Stadt Nigerias und gleichzeitig älteste Stadt Westafrikas: Kano. Diese Stadt war zusammen mit Sokoto eine der wichtigsten Städte im Transsaharahandel. Sokoto war Hauptstadt des gleichnamigen Kalifates und ist immernoch ein religiöses Zentrum des Islams.
Im Yorubagebiet, wo ich wohne, bekomme ich oft zu hören, dass der Norden ungebildet und arm sei, weshalb viele Hausas in den Süden und speziell nach Lagos kämen, wo sie einfache und schlecht bezahlte Arbeit als Schuhmacher, Straßenkoch, Okadafahrer oder Geldwechsler bekommen. Da der überwiegende Teil der Betreiber von Suya-Grillen (Suya ist Grillfleisch) aus dem Norden stammt und somit muslimisch ist, wurde mir auch einmal gesagt, dass ich kein Suya kaufen dürfe, weil die Hausa es für die Christen vergiften. Und sogar meine Chefin, die 22 Jahre in Großbrittanien gelebt hat, meinte, dass eine schlimme Magenverstimmung von mir vom vergifteten Suya stamme. Diese Vorurteile tragen nicht gerade zur Einigung des Landes bei, das so schon unter starken Konflikten von Muslimen und Christen leidet, was an den Ausschreitungen in Jos zu sehen ist, was in der Mitte Nigerias und damit in der Grenzregion von Muslimen und Christen, liegt.
Ich selber habe schon beim Besuch in einer Moschee in Lagos schon den riesigen kulturellen Unterschied der beiden religionsgeprägten Teilen Nigerias mitbekommen. Auf meiner Reise in den Norden bestätigte sich dann mein Bild. Sowohl landschaftlich, als auch kulturell unterscheidet sich Nigeria stark. Die Menschen kamen mir ruhiger, oft respektvoller, nicht so sehr auf Konsum und Geld fixiert und ausgeglichener vor. Sie riefen uns nicht Oyinbo oder die Hausa-Entsprechung „Batauri“ hinterher, fassten uns nicht an und versuchten uns nicht von ihrer Religion zu überzeugen. Andererseits kann ich die Menschen aus Lagos als multikulturelle und auch vom Geld demoralisierte Metropole nicht als perfektes Beispiel von Yoruba nehmen.
Die Kleidung unterscheidet sich schon in den Farben. Im Norden tragen die Männer einfarbige, lange Gewänder, die Teilweise aus leuchtenden Stoffen bestehen, während im Süden Anzüge aus bunten, mehrfarbigen und gemusterten Stoffen getragen werden. Die Frauen im Norden tragen überwiegend Kopftücher.
Den Norden zu bereisen war eine gute Entscheidung, um die kulturelle Vielfalt Nigerias wahrnehmen zu können.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen