Dienstag, 29. Juni 2010

Kamerun zum Vergleich

Während unserer Reise haben wir oft Vergleiche gezogen, denn vieles unterscheidet sich, auch wenn manches ähnlich erschien. Kamerun ist zweigeteilt: Der Hauptteil im Osten spricht französisch, während der kleinere West-Teil als Teil der ehemaligen brittischen Kolonie „The Western Cameroons“ englisch spricht. Die französische Kolonialherrschaft hat einen für uns ganz klaren Vorteil gegenüber Nigeria gebracht: die Bäckereien. Auf der Reise haben wir einige Produkte genossen, die wir in Nigeria, wo es fast keine Bäckerei und nur eine Art Weißbrot gibt, vermisst haben. Baguettes und Croissants werden hier in fast jeder Stadt verkauft.
Die lange politische Stabilität hat es dem Land erlaubt, ein wenig Tourismus aufzubauen, sodass wir erstaunlich viele Weiße, sogar Familien mit Kindern, sehen konnten. Viele Städte und Naturattraktionen sind touristisch erschlossen, was unsere Reise etwas erleichtert hat. Trotz der politischen Stabilität scheint die Wirtschaft eher zurückzugehen, was angeblich an einer ähnlichen Korruptionsrate liegt, wie in Nigeria. Es gibt genauso auch Strom- und Wasserprobleme, die sich nach unserer Erfahrung sehr in Grenzen gehalten haben. Wir waren glücklich in der Regel 24 Stunden Strom zu haben und keine nervigen Generatorengeräusche in der Nacht zu hören. Hier spricht man übrigens von Stromausfällen, während man in Nigeria sagt: Ich hatte gestern drei, vier oder fünf Stunden Nepa. (So wird der Strom nach dem ehemaligen nigerianischen Energieproduzenten genannt.)
Nigeria scheint hier aber doch oft als starkes Land angesehen, woran sich die Kameruner vergleichen.
Was mich überrascht hat, war, dass mir noch weniger Tradition aufgefallen ist, als in Nigeria. Ich dachte oft, dass Nigeria vor allem durch das Öl extrem vom „Westen“ bzw. „globalen Norden“ (wie auch immer man das politisch korrekt formuliert) beeinflusst wurde, weswegen die Traditionen so stark zurückgegangen waren. Im Kamerun habe ich dagegen kein einziges Mal eine afrikanische Sprache gehört und das ursprüngliche Essen schien auch nicht so häufig gegessen zu werden, wie in Lagos. Selbst in Lagos, was so sehr geprägt ist von der westlichen Kultur, hört man an jeder Straßenecke Yoruba, Ibo, Hausa oder eine der anderen ursprünglichen Sprachen Nigerias.
Die Städte und Straßen erschienen mir sauberer, auch wenn ich öfters gehört habe, dass viele Straßen in einem katastrophalen Zustand und in der Regenzeit nicht befahrbar seien. Die städtische Atmosphäre hat uns dennoch überall sehr gefallen, vor allem in Yaoundé, wo es Parks, breite Straßen und viel Grün gab.

Beide Länder scheinen so ähnlich zu sein und vor allem ohne meine Erfahrungen in Nigeria hätte ich wohl beide Länder als gleich bezeichnet, aber wenn man Nigeria kennt, erkennt man viele kleine Unterschiede, die unsere Reise zu einem Interessanten Erlebnis gemacht haben.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Meine Reise III: Kamerun

Der Norden Kameruns erschien uns landschaftlich ähnlich, doch kulturell anders. In Maroua, eine der nördlichsten Städte Kameruns, wurde trotz vorherschendem Islams Alkohol verkauft und Kopftücher waren eher eine Seltenheit. Der auf der Karte groß aufgezeichnete Fluss war komplett ausgetrocknet. Außerdem sprang uns recht bald die touristische Ausprägung Kameruns entgegen, denn im Gegensatz zu Nigeria ist Kamerun mit seiner politischen Stabilität ein Urlaubsland. Wir sahen viele Weiße und sogar Familien, die hier Urlaub machten. In einem recht billigen Hotel blieben wir zwei Nächte in Maroua, von wo aus wir den Kamerun gen Süden durchquerten. Weiter fuhren wir per Bus nach N’Gaoundéré, von wo wir einen Zug in die Hauptstadt Yaoundé nahmen. Wir erhofften uns, abends in N’Gaoundéré angekommen, sofort ein Ticket zu bekommen, aber die Tickets werden morgens verkauft. Eine Prozedur, die wir uns am nächsten Morgen antun mussten. Es war ein Gedrängel und Geschubse, was ich bei Erwachsenen so noch nicht erlebt habe. Da wir das Geld für Schlafwagen und die erste Klasse nicht aufbringen wollten, mussten wir mit ins Gedränge, um uns zwei Tickets zu ergattern. Bis zur Abfahrt konnten wir uns die Stadt angucken, die am Morgen ungewöhnlich kalt war, sodass ich ein wenig gefrohren habe, was ein unbeschreibliches Gefühl hier in Westafrika ist. Wir genossen die Konsumgüter, die in Nigeria nicht vorhanden sind, testeten unser Französisch aus und machten unsere erste Erfahrung mit einer Bäckerei, die es auch in Nigeria nicht gibt, wo wir Baguette, Croissant und andere Köstlichkeiten bewundern konnten und uns satt gegessen haben. Die Bahnfahrt über Nacht dauerte sehr lange. Es war sehr eng und schlafen konnte man am besten auf dem Boden unter den Sitzen, was ich dann vorzog, da ich auf meinem Sitz keinen Schlaf fand. Yaoundé beeindruckte uns, erschien uns viel westlicher, ruhiger und grüner, als Lagos. In Lagos gibt es zwar auch riesige Shopping-Malls, westliche Wolkenkratzer und Wohnanlagen für reiche, aber hier ist alles viel verteilter, mehr in die Stadt integriert und nicht so abgeschottet wie in Lagos. Hier haben wir auch nicht diese riesigen „Housing-Estates“ – ummauerte, bewachte Reichenviertel – entdeckt. Wir machten bekanntschaft mit einem Amerikaner, der an der amerikanischen Schule unterrichtet und uns Unterkunft in seinem Appartement anbot. Er gab uns auch den Tipp, später nach Bangem zu fahren und zeigte uns einige Ecken von Yaoundé. Dort gingen wir auch ins Goethe-Institut und machten später Bekanntschaft mit dem DED (Deutscher EntwicklungsDienst), der auch das Weltwärtsprogramm anbietet. Wir bekamen ein paar Telefonnummern von anderen Freiwilligen im Kamerun, die wir im Laufe unserer Reise besuchten. Nach Yaoundé fuhren wir dann nach Bangem im englischsprachigen Osten, wo wir Bekannte von Tom, dem Amerikaner, trafen, die uns einen Wasserfall und zwei Vulkanseen zeigten, wo wir schwimmen konnten. Die Seen waren ziemlich beeindruckend. Nach zwei Tagen reisten wir weiter nach Buea, der ehemaligen Kolonialhauptstadt der Deutschen, zum Fusse des Mount Cameroon, dem mit 4095m höchsten Berg West- und Zentralafrikas. Wir trafen hier Freiwillige, die uns auf die geplante Bergbesteigung vorbereiteten. Am nächsten Tag buchten wir den teuren Aufstieg durch die international anerkannte Mt. Cameroon Ecotourism Organisation und begannen mittags, nachdem wir Proviant und Regenjacken gekauft hatten. Durch den Bergregenwald ging der Weg aufwärts, doch ein heftiger Regen überraschte uns, der all unsere Sachen durchweichte und uns zwang, in der ersten Hütte zu bleiben. Dort frohren wir wahnsinnig und wärmten uns und trockneten (bzw. räucherten) unsere Klamotten an einem Feuer in der Hütte. Wir mussten dort übernachten und hatten durch den Zeitverlust keine Chance, den Gipfel an einem Tag zu erreichen und wieder herunterzuwandern. Einen weiteren Tag den Führer und den Träger zu mieten konnten wir uns nicht leisten, weswegen wir am nächsten Tag nur bis zur Baumgrenze wanderten um die nachfolgende Bergsavanne zu sehen. Von dort stiegen wir frustiert wieder ab. Die nächste und letzte Stadt Kameruns, die wir besuchten, war Limbe, wo wir ein letztes Mal den Konsum in einer Bäckerei genießen konnten, den botanischen Garten besuchten und am Strand badeten. Der Strand besteht aus schwarzem Vulkansand, denn die beiden Berge Mt. Etinde und Mt. Cameroon sind wie die Insel von Äquatorialguinea an der Küste Kameruns durch Vulkanaktivitäten entstanden.
Von Limbe aus nahmen wir eine kleine, ziemlich demolierte Fähre über Nacht nach Calabar in Nigeria, von woaus wir mit dem Bus nach Lagos zurückkehrten.

Der muslimische Norden Nigerias

Wie der Großteil der westafrikanischen Küstenländer ist Nigeria religiös zweigeteilt: Während der hauptsächlich von den Volksgruppen Yoruba und Ibo bevölkerte Süden christlich missioniert wurde, verbreitete sich im Norden durch den Transsaharahandel aus Arabien der Islam. So haben heutzutage 13 Bundesstaaten seit 2000 die Sharia als Rechtssystem angenommen. Bevölkert wird der Norden überwiegend von den Hausa und den Fulani, die sich teilweise zu einer Volksgruppe „Hausa-Fulani“ vermischt haben, sowie den Kanuri im nordöstlichsten Bundesstaat Borno. Hausa ist eine der wichtigsten nicht-kolonialen afrikanischen Sprachen und wird nicht nur von den in Westafrika verbreiteten Hausa gesprochen, sondern in den nördlichen Teilen Benins, Burkina Fasos, Ghanas, Nigers, Nigerias und der Elfenbeinküste als Handelssprache gebraucht. Es ist stark durch das arabische beeinflusst, was auch in der Aussprache deutlich wird. Die Hausa bilden die größte Bevölkerungsgruppe Nigerias.
Der Norden beinhaltet die zweitgrößte Stadt Nigerias und gleichzeitig älteste Stadt Westafrikas: Kano. Diese Stadt war zusammen mit Sokoto eine der wichtigsten Städte im Transsaharahandel. Sokoto war Hauptstadt des gleichnamigen Kalifates und ist immernoch ein religiöses Zentrum des Islams.
Im Yorubagebiet, wo ich wohne, bekomme ich oft zu hören, dass der Norden ungebildet und arm sei, weshalb viele Hausas in den Süden und speziell nach Lagos kämen, wo sie einfache und schlecht bezahlte Arbeit als Schuhmacher, Straßenkoch, Okadafahrer oder Geldwechsler bekommen. Da der überwiegende Teil der Betreiber von Suya-Grillen (Suya ist Grillfleisch) aus dem Norden stammt und somit muslimisch ist, wurde mir auch einmal gesagt, dass ich kein Suya kaufen dürfe, weil die Hausa es für die Christen vergiften. Und sogar meine Chefin, die 22 Jahre in Großbrittanien gelebt hat, meinte, dass eine schlimme Magenverstimmung von mir vom vergifteten Suya stamme. Diese Vorurteile tragen nicht gerade zur Einigung des Landes bei, das so schon unter starken Konflikten von Muslimen und Christen leidet, was an den Ausschreitungen in Jos zu sehen ist, was in der Mitte Nigerias und damit in der Grenzregion von Muslimen und Christen, liegt.
Ich selber habe schon beim Besuch in einer Moschee in Lagos schon den riesigen kulturellen Unterschied der beiden religionsgeprägten Teilen Nigerias mitbekommen. Auf meiner Reise in den Norden bestätigte sich dann mein Bild. Sowohl landschaftlich, als auch kulturell unterscheidet sich Nigeria stark. Die Menschen kamen mir ruhiger, oft respektvoller, nicht so sehr auf Konsum und Geld fixiert und ausgeglichener vor. Sie riefen uns nicht Oyinbo oder die Hausa-Entsprechung „Batauri“ hinterher, fassten uns nicht an und versuchten uns nicht von ihrer Religion zu überzeugen. Andererseits kann ich die Menschen aus Lagos als multikulturelle und auch vom Geld demoralisierte Metropole nicht als perfektes Beispiel von Yoruba nehmen.
Die Kleidung unterscheidet sich schon in den Farben. Im Norden tragen die Männer einfarbige, lange Gewänder, die Teilweise aus leuchtenden Stoffen bestehen, während im Süden Anzüge aus bunten, mehrfarbigen und gemusterten Stoffen getragen werden. Die Frauen im Norden tragen überwiegend Kopftücher.
Den Norden zu bereisen war eine gute Entscheidung, um die kulturelle Vielfalt Nigerias wahrnehmen zu können.

Montag, 17. Mai 2010

Meine Reise II: Maiduguri - die andere Ecke Nigerias

Quer durch das Land, ans andere Ende Nigerias, in eine völlig andere Kultur zu reisen, war unser Ziel: Direkt nach Maiduguri, eine Millionen-Metropole mitten im Nichts, Hauptstadt von Borno State, dem zuletzt eingegliederteten Bundesstaat Nigerias. Die Stadt geriet vor einigen Jahren in die Presse, als wegen der dänischen Mohammed-Karikaturen 46 Menschen getötet und viele Kirchen zerstört wurden. Uns kam sie sehr heruntergekommen vor, aber andererseits auch schön, weitläufiger als Lagos und mit vielen schattenspendenden Bäumen entlang der Straßen.
Bevölkert wird Maiduguri – wie ganz Borno State – von den Kanuri, deren Sprache auch überwiegend gesprochen wird. Andererseits wird überall auch Hausa, die meistgesprochene Sprache Nigerias, die übrigens in weiten Teilen Westafrikas als Handelssprache verwendet wird, verstanden.
Von hier haben wir Ausflüge an den Tschadsee und nach Sukur gemacht. Zum Tschadsee fuhren wir durch Ödland, vorbei an Dromedar- und Viehherden, an Dörfern mit kleinen Basthütten und über die Stadt Baga, die auf vielen Karten noch als Halbinsel vom See umgeben ist. Zum jetztigen Zeitpunkt befindet sich der See schon gar nicht mehr auf nigerianischem Gebiet, weswegen wir von Baga aus einen langen, höllischen Trip zu dritt auf einem Motorrad durch den Sand machen mussten, um an einen Kanal zu kommen, der zum Tschadsee führt. Wegen Problemen mit einem „Immigration Officer“ haben wir aber keine Bootstour gemacht. Doch wie schnell das Verschwinden des Tschadsees vorangeht, haben wir auf diesem Trip eindrucksvoll erkennen können.
Das Dorf Sukur im Süden von Maiduguri an der kamerunischen Grenze ist eine der zwei Weltkulturerbe-Stätten Nigerias. Um dorthin zu gelangen, mussten wir eine einstündige, sehr anstrengende und sehr steile Wanderung auf den Berg machen, auf dem das Dorf liegt. Oben angekommen konnten wir den König des Königreiches Sukur, welches einige Bergdörfer der Umgebung beinhaltet, begrüßen und ihm ein Gastgeschenk überreichen. Das Dorf ist ziemlich ursprünglich, auch wenn wir selbst an diesem entlegenen Ort Coca-Cola und Fanta kaufen konnten. Wir schliefen in einer einfachen traditionellen Steinhütte und genossen das kalte Bergklima. Am nächsten Tag durften wir dann den Königspalast besichtigen, der aus mehreren Hütten für verschiedene Anlässe besteht. Insgesamt war dieser Ausflug sehr interessant, auch wenn dieses Dorf unvergleichbar mit dem gesamten Weltkulturerbe Europas ist.
Nach einem kurzen Aufenthalt in der Stadt Bama fuhren wir dann in einem Bushtaxi mit vier Leuten in der hinteren Reihe und drei Personen auf dem Beifahrersitz (wozu auch wir gehörten) ohne Probleme über die nigerianisch-kamerunische Grenze.

Montag, 26. April 2010

Meine Reise I: Vorbereitungen und Fahrt

Viele Wege führen aus Nigeria, doch um wieder rein zu kommen, braucht man ein „Re-Entry-Visa“. Und zu diesem Ziel mussten wir schon eine lange Reise vollbringen.
Aber am Anfang stand die Idee, nach den durchgearbeiteten Weihnachtstagen, in denen das Hearts of Gold voll von Spendern war und nach einigen Diskussionen mit „Mummy-Mummy“ uns Ferien zu nehmen und fernab von den bei den Freiwilligen und insgesamt bei den wenigen Touristen Nigerias beliebten Reisezielen Kano, Calabar und Yankari-Nationalpark in die genau entgegengesetzte Ecke Nigerias quer durch das Land nach Maiduguri zu fahren. Aus dieser Idee entsprang dann die abenteuerliche Folgeidee, die Nähe zum Tschad zu nutzen, um dorthin einen kleinen Abstecher zu machen. „Wir“ sind Vitali (ein Freiwilliger, der ins Hearts of Gold gewechselt ist, aber kurz vor der Reise erneut das Projekt wechselte) und ich.
Jedoch mussten wir für dieses Ziel einige Strapazen, Diskussionen und Reisen auf uns nehmen. Zu erst erklärte uns der ICYE (das nigerianische Nationalkomitee meiner Entsendeorganisation), dass eine Reise ins Ausland allein vom Visum nicht möglich sei. Davon ließen wir uns nicht beeindruckt und suchten wir nach einer Tschad-Botschaft, über die wir komplett verschiedene Informationen in meinen beiden Reiseführern und im Internet gefunden hatten. Am ehemaligen Standort war aber keine Botschaft und die Anwohner sagten, sie sei umgezogen, einige meinten nach Abuja, andere nannten uns verschiedene anderen Adressen in Lagos. Somit vollbrachten wir eine wahre Odysse durch Victoria Island (dem Botschaftsviertel Lagos’) und in der Kamerunbotschaft wurde uns schließlich der richtige Standpunkt gesagt. Die Tschadbotschaft bestand aus einem Wohnzimmer mit einem ziemlich locker wirkenden Botschafter darin, der uns die Bedingungen für das recht billige Visum erklärte und sehr erfreut über unseren Besuch war. Danach fuhren wir zum Immigration Office, wo wir uns genauer über das Re-Entry-Visa informierten. Dieses sollte eine Menge Geld kosten, als wären die fast 500 €, die wir bisher schon für das normale Visum zu bezahlen hatten, nicht genug. Dann sprachen wir uns wieder mit dem ICYE ab und die Sache war ersteinmal gegessen, wir bekamen unsere Pässe vom ICYE und holten uns Re-Entry und Visum. Auf unserem Halbjahrsseminar bekamen wir dann jedoch eine Woche vor dem geplanten Start der Reise ein wenig zu spät aus Deutschland mitgeteilt, dass der Tschad von Weltwärts-Freiwilligen nicht besucht werden darf, genau wie ein Haufen anderer westafrikanischer Länder. Somit waren wir am Tiefpunkt angelangt, entschlossen uns dann aber kurzfristig, unsere Reise wie geplant zu bestreiten, dann aber anstelle vom Tschad durch Kamerun zu reisen, um unser Re-Entry nicht zu verschwenden. Im Nachhinein sind wir ziemlich zufrieden mit dieser Entscheidung gewesen.
Am nächsten Sonntag, den 21. Februar ging es dann mit einem Busunternehemen los. Wir fuhren etwa 12 Stunden nach Abuja ins Zentrum Nigerias, wo wir die Nacht verbrachten, die man wegen bewaffneten Raubüberfällen lieber nicht im Auto auf den Straßen verbringen sollte. Am folgenden Tag ging die Reise weiter durch Jos und Bauchi. Wir haben während der Reise wirklich viele der unzähligen Vegetationsbereiche durchfahren, die vom Regenwald über Gras- und Felslandschaften um Abuja und brauner Prärie auf dem kühlen Jos-Plateau, bis zur Savanne Bauchis, die bis nach Maiduguri immer öder und trockener wurde. Auf unserem Ausflug zum Tschadsee fuhren wir dann sogar bis in den nigerianischen Ausläufer der Sahelzone. In Bauchi wurden wir jedenfalls von dem Busunternehmen in ein Buschtaxi verfrachtet. Die Fahrt in diesem Taxi war durch die warme, trockene Wüstenluft, die muslimische Musik aus dem CD-Player, die Fahrt auf einer endlos geraden Straße durchs nichts in der Savanne, auf der uns in hellen Stoffe umhüllte Menschen entgegenkamen, mitten zwischen zwei Dörfern, die schon mit Auto eine halbe Stunde entfernt waren, schon ein Erlebnis.

Neues vom Hearts of Gold

Im Hearts of Gold hat sich viel verändert, genauso wie sich auch meine Sichtweise auf das Hearts of Gold ziemlich verändert hat.
Einige Kinder sind nun voll umgezogen, darunter die behinderten Kinder (hauptsächlich an Zerebralparäse erkrankt) und die Babys. Die älteren Kinder wechseln je nach Gutdünken der Direktorin unregelmäßig ihren Schlafplatz. Im Moment leben und schlafen die Ältesten wieder im alten Gebäude und die Kleineren im Neuen. Interessant war es auch zu beobachten, dass diese Kinder, die es bisher gewohnt waren, wegen Bettenmangel im alten Gebäude auf dem nackten Fußboden zu schlafen, auch im neuen Gebäude, welches mehr als genügend Kinderbetten enthält, es vorziehen, auf dem Boden zu schlafen, der schon durch den Teppichboden mehr Komfort bietet, als der alte PVC-Boden. Im Obergeschoss wurde ein riesiger Raum zum Spendenraum erklärt, in den jetzt alle Spenden von unten getragen werden, damit die neuen Besucher die Masse an Spenden nicht sehen und somit weiter spenden. Der alte untere Spendenraum wurde daraufhin zum Büro umfunktioniert, mit Schreibtischen und Computern, um die ganze Institution etwas professioneller erscheinen zu lassen. Die fertig eingerichtete Rezeption dagegen wird unerklärlicherweise immer noch nicht benutzt.
„Mummy-Mummy“ ist mit den neu entstehenden Aufgabenfeldern eindeutig überfordert. Auf Anfrage versicherte sie, dass sie auf der Suche nach einem Manager ist, der ihr einige Aufgabenbereiche abnimmt. Das einzige Problem dabei ist nur leider, dass sie nach ihrem langjährigen Aufenthalt in Groß-Brittanien keinem Nigerianer mehr richtig traut und andererseits auch nicht genug Geld hat, um einen im Ausland ausgebildeten Arbeiter zu bezahlen. Somit wird sich wohl weiterhin alles hinziehen.
Das fehlende Vertrauen in ihre Landsmänner und –frauen kommt bei unserer Direktorin auch dadurch zum Vorschein, dass sie nun im ganzen Gebäude und außen Überwachungskameras aufgestellt, um die Arbeit des Personals überprüfen zu können. Diesen Entschluss fasste sie wohl, nachdem sie in den Aufenthaltsraum der Kinder gekommen war (was ziemlich selten passiert) und alle Erzieherinnen und Krankenschwestern schlafend vorfand. Daraufhin wurde aus dem Affekt heraus einfach mal die komplette Belegschaft gefeuert, ohne Ersatz zu haben. Dadurch waren wir die nächsten Tage extrem unterbesetzt und hatten einige Schwierigkeiten. Mittlerweile ist das Personal aber wieder aufgestockt worden.

Nigerias NGOs

Große Mode hier in Lagos scheint das NGO-Business zur sein. Und ich nenne es ganz bewusst ein „Business“.
Diese Stadt hat einen Haufen NGOs, deren Gründer sich mit so schönen Namen wie „Executive Director“ schmücken und die durch die Gründung zu furchtbar wichtigen Menschen aufsteigen und furchtbar wichtige Sachen für den guten Zweck machen. Viele dieser NGOs leben von Spenden, lassen sich auf Meetings blicken und diskutieren dort über mehr oder weniger wichtige Themen. Ich habe auch von Gegenbeispielen gehört, doch in einer Stadt, wo Geld und Ruhm mehr als vieles Andere zählt, wir der Name NGO leider oft benutzt um eben genau dieses Geld und diesen Ruhm zu erwirtschaften. Ich saß selbst in Meetings, in denen ich gesehen habe, wieviel Essen dort verschwendet wird, sodass ich mit einem Mitfreiwilligen auf die Idee gekommen bin, dass eine sinnvolle NGO sich einmal damit beschäftigen sollte, zu all den Meetings zu fahren, das weggeworfene Essen aufzusammeln und es in den Armenvierteln von Lagos zu verteilen. Diese Verschwendungsproblematik tritt hier vor allem in Reichenkreisen extrem auf, auch wenn ich nicht sage, dass sie nicht auch in Deutschland auftritt. Nur hier erscheint die Problematik doppelt so schwer zu sein, da die Gegensätze „arm“ und „reich“ hier so nah beieinander liegen und einen krassen Kontrast schaffen.
Genauso will ich nicht bestreiten, dass der Name „NGO“ auch in Deutschland missbraucht werden könnte, jedoch erlebe ich es hier mit eigenen Augen.