Dienstag, 22. September 2009

Schlaege

Nun werde ich mal ein weniger angenehmes, aber fuer Nigeria leider ziemlich uebliches Thema ansprechen: Die Schläge.
Sowohl im Hospiz als auch in der Schule (vor allem dort) werden die Kinder geschlagen, wenn sie sich nicht benehmen oder nach der Meinung der Lehrer oder Pflegerinnen etwas falsch machen. Aus europäischer Sicht schockt das auf den ersten Blick zwar, aber es hört sich schlimmer an, als man es hier wirklich miterlebt. Größtenteils kann ich nachvollziehen, dass die wenigen Pflegerinnen einigen sehr anstrengenden Kindern einen Klaps geben, um alle Kinder irgendwie unter Kontrolle zu bekommen. Insgesamt muss man aber sagen, dass sich alle Kinder und vor allem die Schulkinder viel zu sehr daran gewöhnt haben, geschlagen zu werden, wenn sie etwas falsch machen, sodass es fast unmöglich ist, den Kindern ohne Schläge zu vermitteln, dass etwas falsch oder man selber böse ist. Somit hatten wir in den ersten beiden Wochen ziemlich damit zu kämpfen, die Kinder ruhig zu halten, damit sie von den anderen Lehrern nicht geschlagen werden. Inzwischen haben wir aber alternative Strafen gefunden, die nicht mit Schmerz verbunden sind. Als Lehrer steht man hier aber enorm unter Druck, da die Kinder einem zum Teil auf der Nase rumtanzen, nicht zuhören und uns zum Teil schlagen, weil sie das lustig finden und weil die anderen Lehrer uns immer wieder dazu auffordern, die Kinder auch zu schlagen. Insgesamt bekommt man hier enormen Respekt vor allen Lehrern! Also, falls meine ehemaligen Lehrer das hier lesen, ich weiß jetzt, was das für ein Stress ist! J Zum Verhalten der Kinder muss man aber sagen, dass das Lernprogramm hier meiner Meinung nach nicht dem Alter entspricht. Die Kinder sind zwei bis sechs Jahre alt und sollen hier schon buchstabieren, zählen und müssen viel auswendig lernen, obwohl die Jüngsten noch nicht richtig sprechen können. Wir versuchen hier, das Lernen ein wenig lockerer zu gestalten und verbinden das Lernen von Tieren, Farben und Körperteilen immer mit Spielen, Tänzen und Liedern, was enorm anstrengend ist und viel Kreativität und Ideenreichtum fordert. Die Oberlehrerin ist ziemlich brutal und recht willkürlich im Verteilen der Schläge, aber es gibt auch andere Lehrerinnen, die extrem wenig schlagen. Im Hospiz ist es zum Teil noch schwieriger, weil die behinderten Kinder nicht verstehen, wenn sie etwas nicht machen sollen. Die machen aber nicht die größten Probleme, sondern eher die vielen Kinder, die mit mir spielen wollen, auf mich drauf hüpfen, an mir hochklettern und sonstwie versuchen, meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Vor allem, wenn man ein Baby auf dem Arm hat und sie anfangen, erst mich und dann auch noch das Baby zu schlagen. Wenn sie dann nicht von den Pflegerinnen geschlagen werden, verbreitet sich diese Angewohnheit recht schnell und jedes Kind möchte das auch mal ausprobieren. Dann muss ich laut werden und versuchen, das Baby in Sicherheit zu bringen. An sich sind die Kinder aber total nett und jeden morgen freue ich mich wieder auf sie. Eine Freiwillige, die schon länger hier in Lagos ist und auch in einer Schule arbeitet, hat mir von ihren Erfahrungen erzählt und meinte, dass man irgendwann schon seinen Weg ohne Schläge findet, was mich ziemlich motiviert hat. Allerdings werden die Kinder an ihrer Schule auch fast nie geschlagen.
Alles, was ich hier beschrieben habe, mag sich zwar fuer Europäer ziemlich schrecklich anhören, wird hier aber ganz anders aufgefasst. Man muss sich dann auch klarmachen, dass das Schlagen in Deutschland vor ein paar Jahrzehnten genauso üblich war. Verändern kann ich hier wenig, da das hier fest mit der Kultur verankert ist, aber ich versuche, meinem deutschen Denken und meiner deutschen Moral treu zu bleiben und damit den Leuten zu zeigen, dass es auch anders geht. Ich will hiermit Nigeria nicht runtermachen, dachte aber, dass es wichtig ist, auch diesen Aspekt meiner Beschreibung hinzuzufuegen. Kinder zu schlagen ist und bleibt schrecklich, aber jeder sollte sich klar machen, dass das eine Sache ist, die sich hier noch entwickeln muss und die in dieser Beschreibung und in vielen Erzählungen viel schlimmer herüberkommt, als sie wirklich praktiziert wird.

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